Verein zur Pflege der Denkmäler und der lokalen Kultur
in Neustift am Walde und Salmannsdorf

Osterratschen in Neustift am Walde und Salmannsdorf
Ing. Hannes Trinkl

„Hert`s, ihr Leut`und loßt`s eich sog`n, - de Uhr hot Zwölfe g`schlog`n“ – Rrrr, Rrrr, Rrrr, klapperten die „Ratschen“ vor den Häusern am Donnerstag vor Ostern, dem „Gründonnerstag“. Sie dienten als Ersatz der Kirchenglocken, deren Aufgabe es war, den Leuten in den Weinbergen und Werkstätten die Mittagstunde zu verkünden. So zogen wir mit den größeren Buben, die die Ratschenkurbel richtig rasch drehen konnten durch die Straße und wünschten, wir wären schon größer, um selber Verkünder der Tageszeit sein zu können. Die Urania-Zeit stimmte zwar nicht immer mit dem Ratschen überein, doch das machte damals nichts. So schrieb Ernst Rille in seinen Erinnerungen über die Osterratschen bei uns nieder.
Nach alter Tradition werden in katholischen Gegenden vom Gründonnerstag an bis zum Karsamstag die Kirchenglocken nicht geläutet. Der frohe Charakter des Glockengeläutes passt nicht zur Trauerstimmung dieser Tage, an denen das Gedenken an das Leiden und Sterben Jesu im Mittelpunkt der Liturgie steht.
Die Glocken schweigen ab dem Gloria des Abendmahlgottesdienstes am Gründonnerstag, wir sagen: "Die Glocken fliegen nach Rom".
An ihre Stelle treten die Ratschen, mit denen zu den üblichen Läutzeiten die Gläubigen zum Gebet aufgefordert werden.
Erst mit dem Gloria der Auferstehungsfeier ertönen wieder die Glocken mit festlichem Klang. Das Ratschen wurde bereits zur Zeit Karls des Großen im 8. Jahrhundert ausgeübt und geht bis ins 6. Jahrhundert zurück, als es noch keine Kirchenglocken gab.
In Neustift waren drei Gruppen von jeweils zwei bis drei Ministranten unterwegs und jeder hatte eine Standratsche. Nachdem alle gemeinsam vor der Kirche geratscht hatten, waren wir von der Kirche in drei Richtungen weggegangen. Eine Tour ging über Neustift am Walde bis zum“ Römischen Kaiser“, die zweite hinunter über die Rathstraße bis zur Krottenbachstraße, schließlich hinauf nach Neustift am Walde und über die Hameaustraße bis zur Keylwerthgasse.
Um 1930 hatten die Salmannsdorfer eigene Ratschenbuben, die sich in der Karwoche am Platzl Salmannsdorfer Straße/ Dreimarksteingasse trafen, von wo aus ihre Ratschentour begann. Eine besonders begehrte Tour war die „Kracherltour“ über die Celtesgasse. Im Weinhaus Wilfinger kam nämlich die alte Frau Wilfinger heraus und gab den Ratschenbuben ein Kracherl – aber nur dann, wenn die Neustifter Ratschenbuben nicht schon früher da waren.
1938 oder 1939 wurde das letzte Mal von Salmannsdorf aus geratscht.
In Salmannsdorf gab es eine besonders große Ratsche, welche einen gewaltigen Lärm machte und etwa eineinhalb Mal so groß war wie die übrigen und auch heute noch vorhandenen Ratschen.
Die Neustifter und Salmannsdorfer Ratschen waren am Gründonnerstag mit Buchs an der Vorderfront grün geschmückt. Am Karfreitag und Karsamstag kam der Buchs wieder weg und die Heiligenbildchen kamen wieder zum Vorschein. Früher waren die Ratschen dabei auch mit einer Trauerschleife versehen.
Aus verschiedenen Quellen ist ersichtlich, dass sich im Laufe der Zeit, in der in Neustift am Walde und Salmannsdorf geratscht wurde, auch die Sprüche geändert haben.
Vor etwa 50 Jahren stellte sich der Brauch bei uns etwa so dar:
Am Gründonnerstag
19 Uhr (nach der Liturgie zum letzten Abendmahl)
„Wir ratschen, wir ratschen den Englischen Gruß,
den jeder katholische Christ beten muß.
Leut, fallts nieder auf euere Knie, bets ein Vaterunser und drei Ave Marie“

- drei Gsetzeln und ein langsames Gsetzel,
( ein Gsetzel ist ein Abschnitt von je zehn bis fünfzehn Drehungen)
Am Karfreitag
6 Uhr „des is sechs Uhr“ oder „des is zum Gebet“ - drei Gsetzeln
12 Uhr „des is zwöf Uhr“ - drei Gsetzln
15 Uhr (9 Uhr) „des is das bittere Leiden und Sterben unseres Herrn Jesu Christ“ - ein Gsetzl
19 Uhr „wir ratschen, wir ratschen den Englischen Gruß,
den jeder katholische Christ beten muß.
Leut, fallts nieder auf euere Knie,
bets ein Vaterunser und drei Ave Marie“

- drei Gsetzeln und ein langsames Gsetzel
Osterratschen am Karsamstag
6 Uhr (4 Uhr) „wir ratschen, wir ratschen zur Pumpersmetten*),
Leut steht`s auf kocht`s Osterflecken**) - drei Gsetzln
12 Uhr „des is zwöf Uhr“ - drei Gsetzln
15 Uhr „wir ratschen, wir ratschen die Fasten aus, Knödl und Gselcht`s gehört ins Haus“ oder
„wir ratschen, wir ratschen unter der Hollastauden, Leut hörts auf zum Fastenhaun***)
*) Pumpermette = Frühmette
**) Osterflecken = eine Art Germteigkrapfen, der zum Essen gebrochen und nicht geschnitten werde sollte
***) Fastenhaun = eine Arbeit, die im Weingarten in der Fastenzeit durchgeführt wurde und zu Ostern beendet sein sollte
Als Lohn fürs Ministrieren und Ratschen gingen die Ministranten am Karsamstag Nachmittag und am Ostersonntag von Haus zu Haus und baten mit dem Spruch „de Ratschenbuam wünschen frohe Osterfeiertag, das Fleischessen guat anschlagt und bitten um a rots Oar“ um eine Spende und sammelten Süßigkeiten, Ostereier und so manchen Schilling. Später wurde das Gespendete einem guten Zweck gewidmet.



Quellen:
200 Jahre Pfarre Neustift, Ingeborg Karger, Berichte von Otto Pawlick, Walter Gregory, Erich Litschauer, Ernst Rille, Hannes Trinkl

Copyright Verein DENK*MAL

zurück zur Auswahl